Mittwoch, 27. Juli 2016

Kreuzzug?



In der direkten Übersetzung war das ein Kreuzzug – „Krestny Chod“. Schon hier gehen sprachlich die Ansichten auseinander. Denn der deutsche – und, soweit ich weiß auch der westeuropäische Begriff dafür – ist ein Waffengang im Zeichen des göttlichen Auftrags. 
Diese Sichtweise ist seit der Taufe des Kiewer Rus durch Vorbild von Fürst Wladimir (allerdings laut Berichten für das einfache Volk nicht ganz ohne Gewalt…) am 28. Juli 988 von der orthodoxen Kirche nie übernommen worden. 
Alle Bekehrungen vor allem von Urvölkern in Sibirien fanden ohne solche Kreuzzüge mit Waffen statt. Die Ukraine und auch Russland haben diesen Tag zu einem Feiertag erklärt – erstaunlicher Weise jedoch nicht als arbeitsfrei. 

Das, was in diesem Jahr in der Ukraine stattfand, wurde als wörtlich „Kreuzzug“ bezeichne. Ich erlaube mir davon abweichend die beeindruckende Wallfahrt als „Pilgerreise für den Frieden im Lande“ zu bezeichnen. So, wie sie auch durch die Kirchenleitung des Moskauer Patriarchats benannt wurde – „Allukrrainische Wallfahrt für Frieden, Liebe und Gebet für die Ukraine“. 
Die zweite orthodoxe Kirche im Lande – die des Kiewer Patriarchats – hat der Demonstration des Moskauer Patriarchats nur eine kurze Wallfahrt nach Beendigung der vorhergehenden entgegengesetzt. Von der Wladimirkirche zum Denkmal des heiligen Wladimir. 
Also kein Marsch von 25 Tagen über 700 Kilometer vom Kloster Svatogorsk (Ostukraine) zum Denkmal des heiligen Wladimir nach Kiew. Oder vom Kloster Potschaewsk (Westukraine) um sechs Tage geringer und entsprechend weniger Kilometer – aber dennoch beeindruckend. 
Die Organisatoren rechneten mit rund 10 000 Pilgern über die gesamte Zeit der Wallfahrt. 

Was ich außer den eigenen Empfindungen hier anmerken will, sind die politischen Aspekte der ganzen Vorgänge. Wladimir hat 988 nicht etwa den Übergang vom recht sündhaften Heiden zum guten Christen einer Eingebung wegen vollzogen. Wesentlich war: er heiratete die Prinzessin Anna von Byzanz, Tochter des byzantinischen Kaisers Romanos II. und gewann damit großen politischen Einfluss in der damaligen Welt. 

Heute wenden sich viele Ukrainer auf Grund der militärischen Ereignisse in der Ostukraine von der orthodoxen Kirche des russischen Patriarchats ab zur ukrainisch gelenkten. Dieser Bewegung etwas entgegen zu wirken ist eine solche durch die Massenmedien besonders wirksam in Szene  gesetzte Wallfahrt recht gut geeignet. 
Wenn vor Beginn der Gesänge und Gebete in Kiew je ein noch nicht 14-jähriges Mädchen aus dem Ost-und Westteil des Landes als Beispiel für Pilgerstandhaftigkeit vorgestellt wurden, eines davon auch noch Geburtstag hatte und beide von kirchlichen Würdenträgern Erinnerungsgeschenke bekamen, machte das auch auf die Zuschauer vor dem Bildschirm Eindruck. 
Die Betgesänge nach slawisch-orthodoxer Art wirkten auch auf mich – dank der Stimmen aus dem Chor des Doms, wenn ich richtig verstand. Erstmalig sah ich, wie der Patriarch vor seinem persönlichen Gebet die Kopfbedeckung abnahm. Also bei Hinwendung zum Chef immer formvollendet. 

Die Sicherheitsvorkehrungen waren extrem. Jeder Pilger hatte den Metalldetektor zu passieren, es wurde eine recht bedeutende Anzahl an Messern eingezogen. 
Im Vorfeld hatten die Sicherheitskräfte eine Gruppe von Extremisten aus der Westukraine abgefangen, deren Ziel eindeutig die Destabilisierung der Situation war. Wenn ich richtig verstanden habe, gehörten diese in den Bereich „Rechter Sektor“. 
Wichtig war – neben den logistischen Leistungen – die Vermeidung von Zusammenstößen. Oder von Blutvergießen wie in einer französischen Kirche. 

Bleiben Sie recht gesund! 

Ihr 

Siegfried Newiger








Dienstag, 26. Juli 2016

Drei - oder vier - Mädchen



Bei jeder Einschätzung von Personen, Vorgängen und aktuellen Situationen hat jeder von uns sein so ganz eigenes Gepäck von Erfahrungen und Gewohnheiten mit sich. Das ist so schwer in die psychologische Ecke zu stellen. 
Wodurch bei manchem Dritten von dir der Eindruck von Prinzipienfestigkeit und beim anderen der von Altersstarrsinn entsteht. Oder eine andere, von persönlichen Vorlieben oder Vorurteilen geprägte Einschätzung. Dazu kommt, was der deutsche Geschäftsmann und Philosoph Friedrich Engels dem Sinne nach so formulierte: „Wenn du wissen willst, weshalb eine Person so handelt, wie du das bemerkst, versuche ihre wirtschaftlichen Interessen dahinter zu ergründen.“ 
Folglich ist jede öffentlich gemachte Meinung – vor allem jede in so genannten „sozialen Netzen“ – unter dem Gesichtspunkt der eigenen Unzulänglichkeit zu prüfen. 

Obwohl die letzten beiden Wochen voller unmenschlich geplanter Bluttaten waren (auch voller natürlicher Katastrophen), will ich mich bewegende Hoffnungsschimmer betrachten. 
Angeregt hat diesen Post der Leiter der Abteilung „Organisierte Kriminalität“ des ukrainischen Sicherheitsdienstes bis zum Jahre 2000. Er erläuterte in der Fernsehsendung „Schuster live“ unter anderem Methoden verbrecherischer Gruppierungen bei der Vorbereitung von Attentaten. Wie das, dem am Morgen des gleichen Tages in Kiew der belorussische Journalist Pavel Scheremet zum Opfer gefallen war. 
Auf die Frage, ob eine an der Tat nach Aufzeichnungen einer Videokamera beteiligte Frau für die Verbrecher kein Risiko darstelle, sagte er sinngemäß: „Wenn sich eine Frau für eine solche Aufgabe entschließt, sollten sie immer davon ausgehen, dass sie ein extrem guter Professional ist. Sie können eine Frau nur unterschätzen.“ Und fast zum Schluss: „Jeder, der hier die Wahrheit sagt, kann damit rechnen, dass er einer einflussreichen, aber gewissenlosen Person so auf die Zehen tritt, dass diese ihn auf die Liste ihn störender Leute setzt.“ 

Als die neue britische Premierministerin Theresa May sehr bestimmt sagte, dass Brexit ist und bleibt, sie annehmbare Lösungen für die Trennung mit Frau Merkel und Monsieur Hollande sucht und zu denen flog, war klar, dass eine neue „eiserne Lady“ die Geschäfte übernommen hat. „Wenn du willst, dass etwas gesagt wird, frage einen Mann. Wenn du willst, dass etwas getan wird, frage eine Frau.“ (Margaret Hilda Thatcher) 

Wenn hier Nadija Sawtschenko den Leuten nicht „Makkaroni über die Ohren hängt“ (ne lapschy na uschi weschaet), weil sie als Neuling in der Politik einerseits die ihr geläufige militärische Ausdrucksweise nicht immer ablegt, andererseits eigene und ab wie an radikale Ansichten deutlich formuliert, ist die hochqualifizierte einzige Militärpilotin der Ukraine nicht wenigen Personen ein Dorn im Auge. Deshalb werden schon in dieser ihrer Qualifizierungsphase als Politikerin gewisse Schwächen hochgespielt. 
Die Leute sollten das alte deutsche Sprichwort verinnerlichen: „Auf Erden lebt kein Menschenkind, an dem man keinen Mangel find't.“ 
Das Interview, in welchem Nadija auf die Fragen nach ihrer Tätigkeit als Abgeordnete sehr deutlich antwortete, habe ich sehr aufmerksam verfolgt. Anstrengend, weil sie rasch spricht und fließend ukrainisch. Es hat mich dennoch überzeugt. Sie ist für mich ein Thatcher-May-Typ. Die Ukrainer haben von ihr einiges zu erwarten – auch wenn manche das gegenwärtig noch nicht so sehen. 

Heute nun gab es endlich für mich die Entscheidung, auf die ich lange gewartet habe. Vadim Rabinivitch hat die Partei „Leben“ gegründet. Mich hatte er am Sonntagabend schon wieder überzeugt, dass er zweckdienlich denkt. Die Umbenennung des Flughafens Borispol nach irgendeinem „Helden der ukrainischen Geschichte“ zurzeit hat er rundweg abgelehnt. Der Ort Borispol ist älter als der ukrainische Staat, ein alter slawischer Begriff. Das national und international aufzuwendende Geld für diese „Taufe“ könne sinnvoller verwendet werden. Mit der Umbenennung würde die Aufmerksamkeit der Bürger von den wesentlichen Fragen in der Ukraine abgelenkt. Womit er Recht hat. 

Bleiben Sie recht gesund! 

Ihr 

Siegfried Newiger






Freitag, 22. Juli 2016

Gewöhnliche Ukraine III



Dieser Post beendet meine kurze Serie zur Ukraine im Alltag. 
Als mich die um meine Beine besorgte Frau (http://mein-ostblock.blogspot.com/2016/07/gewohnliche-ukraine.html ) heute fragte, wieso ich denn hier im Lande bliebe, sagte ich ihr meine Wahrheit. Für mich ist es in der Ukraine noch psychologisch wärmer als in Deutschland – mit abnehmender Tendenz.
Das nicht, weil betont nationalistische Tendenzen stark zunehmen, sondern weil die Aufpfropfung der westeuropäischen und der sie dominierenden amerikanischen Lebensweise eine  der slawischen Mentalität fremde Komponente in das hiesige Leben bringt. Dazu die seit Jahren zu beobachtende Unterordnung der staatlichen Stellen unter einen recht eigenartigen Demokratie-Begriff. 
Heute hat Premier Groismann das Fazit der ersten hundert Tage seiner Amtsübernahme mit einigen positiven Zahlen gezogen. Vorher hatte ein Invaliden-Rentner, Teilnehmer an den Kämpfen in der Donbass-Region, im Fernsehen zur Medikamentenversorgung gesprochen. Vor allem, dass die verfügbaren nicht wie versprochen billiger geworden sind, sondern ein Drittel seiner Rente verschlingen. Der ehemalige stellvertretende Wirtschaftsminister kommentierte, dass der Prozess langwierig sei. Das erste Versprechen, in drei Monaten den Bereich Zoll umzukrempeln, sei inzwischen durch ebenden Premierminister auf ein Jahr verlängert worden. Auch ein Beispiel für Populismus, meinte der Reporter. Womit er Recht hat.
Dass in dieser Amtszeit  die Tarife für Dienstleistungen im Wohnungswesen auf das Dreifache gestiegen sind, war vorher allerdings nicht versprochen worden… 
Eine andere Geschichte zeigt mir, dass die Bürokratie im Lande herzlos ist. Im Fernsehen wurde eine junge Mutter von fünf Kindern gezeigt, die auf ihrem rechten Bein durch die Wohnung hüpfte. Als sie sich über zwei ihrer Kinder warf, weil in unmittelbarer Nähe eine Granate einschlug, konnte sie deren Leben retten, Allerdings musste ihr linkes Bein amputiert werden. ihr wurde inzwischen schon der Invalidenstatus zuerkannt. Allerdings bekommt sie – aus Gründen, die ich sprachlich nicht erfasst habe – seit Monaten weder ihre Invalidenrente noch das Kindergeld. Ihr Mann ist arbeitslos – seit sie aus der „Grauzone“ (dem Kampfgebiet im Donbass) in das ruhigere Hinterland gekommen sind. Weil ihnen das Geld ausgeht, müssen sie in immer schlechtere Wohnungen ziehen. Die ihr verordnete Prothese zeigte sie am Bein, bemerkte aber, dass sie nur mit Schmerzen zu nutzen ist. 
Dass die Bürger politisch aktiver sind, ist nicht immer deutlich zu sehen. Bei den Nachwahlen zur Rada waren nur etwa nur 16 % der Berechtigten an den Urnen. Allerdings sperrten heute die Einwohner der Kiew nahen Kleinstadt Butscha zeitweilig die Straße Kiew-Warschau, weil sie mit der Haussuchung durch das „Büro gegen Korruption“ bei ihrem Bürgermeister nicht einverstanden waren. Das ist aber doch etwas anderes als mein Demokratieverständnis. 
Weil ich auch heute wieder mein Verständnis für die ukrainische Sprache bemängelt habe, hier noch zwei Beispiele. Als ich kurz nach Erstbesuch der Ukraine in eine Einrichtung ging, über welcher „perukarnja“ stand, habe ich die Bezeichnung mit dem russischen „pekarnja“ verwechselt, der Bäckerei. Die Frage nach Brötchen innen hat mir Gelächter eingebracht und die Erklärung. 
Ernsthafter wurde es, als ich das Auftreten meines Stiefsohns mit dem Gehabe eines Hahn verglich – eine im Deutschen unschuldige Bemerkung. Meine Natascha musste mir erklären, dass in diesem Kulturkreis der Hahn (petuch) ein Häftling auf niedrigstem sozialem Niveau ist, welcher unter anderem in der Zelle auch sexuell missbraucht wird. Wir haben das Missverständnis beseitigt. 
Zum Schluss: allen Interessierten habe ich einen Link eingefügt. Die wenigsten unter uns haben eine so gute Zusammenfassung der ukrainischen Geschichte schon gelesen. Das Gemisch aus bewaffneten Aktionen und versteckten Aktivitäten lässt heutige Ereignisse besser verstehen. Auch eine Fernsehsendung, welche über eine illegale Universität in Lvov während der polnische Herrschaft in der Westukraine zwischen 1922 und 1925 berichtete.  
Bleiben Sie recht gesund!
Ihr
Siegfried Newiger





Dienstag, 19. Juli 2016

Gewöhnliche Ukraine II



Zur gewöhnlichen Ukraine gehören aber noch andere als in meinem ersten Post geschilderte Vorgänge und Eindrücke.   
Während der recht bedeutende Export von Bienenhonig normal verläuft, ist der von Bernstein sehr umstritten. Denn der Abbau in den wolhynischen Gebieten ist gesetzlich nicht ausreichend geregelt. Die damit illegale Grabung durch die meist arbeitslose und folglich zum ungesetzlichen Erwerb regelrecht gezwungene  Bevölkerung bringt aber die begehrten Fundstücke nicht zu gesetzestreuen Exporteuren, sondern zu mafiaähnlichen Strukturen. Versuche zur Änderung sind bisher zögerlich. 
Geschmuggelt wird aber nicht nur Bernstein, sondern Zigaretten und Alkohol (samogon, Selbstgebrannter). Die Erlöse im Handel des „kleinen Grenzverkehrs“ sind offensichtlich ausreichend, um ihn durch die ukrainischen „Kleinschmuggler“ nicht für länger zu unterbrechen. Die deswegen relativ gründlichen Kontrollen der polnischen Zöllner sorgen dafür, dass wir den direkten Grenzübergang bei der Ausreise aus der Ukraine per Auto mit mindestens zwei Stunden einplanen, gewöhnlich vier bis sechs Stunden brauchen. 
Das sind geringe Zeiten gegen die einmal im Winter bei der Einreise ins Land vertanen 26 Stunden bei minus 20 Grad – aber dennoch unangenehm. 

Eins ist deutlich: an der Verbesserung der Straßenverhältnisse wird gearbeitet. Den vor allem deutschen Kritikern gebe ich gewöhnlich zu bedenken: die Ukraine ist flächenmäßig rund doppelt so groß wie Deutschland, hat etwa die Hälfte an Bevölkerung. Nur auf die Straßen bezogen erfordern diese Verhältnisse je ukrainischem Haushalt die vierfachen Aufwendungen jener, die in der Bundesrepublik nötig sind. Wo sollen diese Mittel herkommen? 
Denn aus der Sowjetzeit sind noch die Wohnungsprobleme geblieben – wenn auch nicht mehr so krass, wie sie Michael Bulgakow in „Der Meister und Margarita“ darstellte. 
Die Frage nach den finanziellen Möglichkeiten stößt auf das Bankensystem. Wo für Einlagen heute Zinsen zwischen 20 und 25 % versprochen werden, können Kredite nicht billiger sein. Also stellt sich für jeden nur schwach wirtschaftlich gebildeten Menschen die berechtigte Frage: wie werden diese Zinsen (Geldkosten) erarbeitet, wenn in den Industriestaaten dieser Welt sogar schon Negativzinsen im Gebrauch sind? 
Bekannte, die eine Wohnung kaufen wollten, haben bei dem Krach zweier Banken alle ihre angesparten, zeitweilig gut vermehrten Summen verloren… 

Weil wir bei Geld sind: die neu geschaffene ukrainische Agentur gegen Bestechlichkeit hat Hochbetrieb. Es ist schon nicht mehr erstaunlich, in welchen Chefetagen und darunter erkleckliche Summen ergaunert werden. Gegen Dienstleistungen aller, auch krimineller Art. Wobei das Unrechtsbewusstsein überall nur dann entwickelt ist, wenn man selbst zahlen soll. Als der ehemalige Ministerpräsident Lasarenko mit hunderten von Millionen US-Dollar in den USA wegen Geldwäsche verurteilt wurde, kamen wir in einem Gespräch mit vernünftigen Leuten auf diese Affäre. Als ich fragte, wie ein sehr reger Kritiker handeln würde, wenn er ähnliche Möglichkeiten hätte, sagte dieser: „Mit dem Gepäck würde ich nicht in die USA reisen.“ Kein Kommentar. 

Leider höre ich hier nicht selten Beschwerden über die medizinische Versorgung. Habe aber persönlich drei Operationen in dem Semaschko-Krankenhaus vor Ort erlebt und bin mit den Ergebnissen sehr zufrieden. Habe nach der letzten im Abschlussgespräch auch formuliert, dass ich beide Ärzte für ausgezeichnete Handwerker halte. Sah an ihren Minen, dass ich daneben lag. Erinnerte mich, dass jemand mal formulierte, der Begriff sei für Pfuscher üblich. Habe einige Mühe gehabt zu erläutern, dass die deutsche Lesart dieses Worten etwas mit hoher Qualität und Ehrenhaftigkeit zu tun hat. Bin aber wohlwollend angenommen worden. 
Es können aber eine Reihe von Behandlungen nur gegen Bezahlung erfolgen und nicht immer sind alle optimalen Medikamente verfügbar. So war in der vorigen Woche im ganzen Land außer einigen wenigen Ampullen voll am Rande der Verbrauchsdauer kein Serum gegen Tollwut zu haben. Die verfögbaren bekam das von einer tollwütigen Katze gebissene Mädchen – andere Kontaktpersonen konnten nicht geimpft werden.  

Am 13. Juli 2016 hat der Leiter des Herzzentrums in Charkow Boris Todurow mitgeteilt, dass am Vortag einem schwer erkrankten Bürger in der Ukraine erstmalig ein künstliches Herz implantiert wurde. Die fachliche Vorbereitung hätte in Deutschland stattgefunden und Prof. Christoff Schmidt hätte das Team unterstützt. 
Für mich erneut ein Beweis, dass die fachärztlichen Voraussetzungen sehr gut sind. Was allerdings Herrn Todurow nicht davon abhielt, die mangelhafte ukrainische Gesetzgebung im Bereich Organtransplantation öffentlich zu kritisieren. Er ging nicht so weit wie ein ebenfalls hochqualifizierter Kollege, der diesbezüglich in einer Unterhaltung formulierte: „Diese Gesetzgebung ist so veraltet, dass sie die heute mögliche operative ärztliche Hilfeleistung für ernsthaft Kranke verhindert.“ Kein Kommentar.

Wer möchte, kann sich bei Wikipedia über den Naturpark Askanija Nowa informieren – ein mit deutscher Hilfe geschaffenes Kleinod in der Chersoner Steppe. Auch das ist für mich Ukraine. Oder über die Tripolje-Kultur, von der die wenigsten wissen, dass ihre ersten Bauten in Nähe der Dnepr-Ufer etwa 500 Jahre vor dem Auftürmen der ersten ägyptischen Pyramiden entstanden. 

Als ich diese Aufzählung einmal einem waschechten Ukrainer vortrug, der etwas abfällig über sein Vaterland sprach, reagierte der mit ukrainischem Humor: „Höre auf! Sonst erklärst du mir noch, dass unsere Vorfahren das Schwarze Meer ausgehoben und aus den Erdmassen den Kaukasus aufgeschüttet haben.“

Bleiben Sie recht gesund! 

Ihr 

Siegfried Newiger